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Soziale Ökonomie – was ist das überhaupt?

Social Economy – Fragen und Antworten

Soziale Ökonomie ist kein Nischenthema. Rund 7 Milliarden Euro im Jahr werden allein in Berlin von der sozialen Ökonomie erwirtschaftet (IBB, 2018). Dass die soziale Ökonomie (noch) nicht so sichtbar ist, wie sie es von ihrer Bedeutung für unsere Gesellschaft, Wirtschaft und die Zukunft sein sollte, hängt mit der Vielfältigkeit ihrer Erscheinungsformen, Begriffe und Ursprünge zusammen. Wir geben die wichtigsten Infos im Überblick.

Was bedeutet „Soziale Ökonomie“?

Kurz gesagt liegt der Hauptzweck von sozialen Unternehmen in der Verfolgung sozialer bzw. gemeinwesenorientierter Ziele und nicht – wie bei herkömmlichen privatwirtschaftlichen Unternehmen – in der Maximierung der Rendite oder lediglich eines finanziellen Gewinns. Das bedeutet zwei zentrale Elemente:

1. Das Unternehmen geht von einer gesellschaftlichen Problemlage aus und versucht, diese mit ökonomischen Mitteln zu verbessern.

2. Die Gewinne des Unternehmens werden nicht (oder nur zum Teil) privat angeeignet, sondern in den Zweck des Unternehmens zurückgeführt.

Damit unterscheidet sich die Soziale Ökonomie klar von klassischen Privatunternehmen auf der einen Seite (selbst dann, wenn diese neben ihrer Gewinnorientierung soziale Aktivitäten verfolgen) und vom staatlichen Sektor auf der anderen Seite.

Umfangreiche weitergehende Informationen und Forschungsergebnisse zur Bedeutung der Sozialen Ökonomie findest du auch auf den Seiten des Technologie-Netzwerk Berlin e.V. und des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND).

querstadtein e.V., Foto Isabel Härdtle
2811 UG, Foto: Universidad de Caldas

Warum Social Economy?

Motivation und Beweggründe der Gründung sozialer Unternehmen sind sehr vielfältig. Vom jungen Startup mit einer sozial innovativen Idee über den Kollektivbetrieb bis zur etablierten Unternehmerin, die ihrem Unternehmen einen neuen Sinn gibt und dessen Gewinnorientierung zugunsten eines gesellschaftlichem Nutzens aufgibt, sind zahllose Spielarten denkbar und existent. Durch diese Vielfalt kann die Soziale Ökonomie jedoch auch als zersplittert und kleiner wahrgenommen werden, als sie tatsächlich ist.

Im Kern ist allen sozialen Unternehmen die Erkenntnis gemeinsam, dass es gesellschaftliche Probleme gibt, die weder die „herkömmliche“ Privatwirtschaft noch der Staat lösen kann oder in befriedigendem Maße löst. Soziale Unternehmen tragen durch ihr wirtschaftliches Handeln zur Lösung dieses erkannten Problems bei oder entstehen aus ökonomischer Selbsthilfe heraus.

Diese andere Sicht auf privatwirtschaftliches Unternehmertum macht die Soziale Ökonomie zur Wirtschaftsform unserer Zeit, denn sie ist nachhaltig, erkennt und nutzt soziale Ressourcen und trägt zur Lösung drängender gesellschaftlicher Fragen bei. In Zeiten der (Dauer-)Krise(n) und der Grenzen des Wachstums ist sie eine tragfähige Wirtschaftsform für die Zukunft.

Wie kann soziale und nachhaltige Wirtschaft aussehen?

Nicht nur die Akteure sozialer Unternehmen können aus ganz unterschiedlichen persönlichen Beweggründen oder Denkrichtungen zu dem Schluss kommen, für einen gesellschaftlichen Zweck arbeiten zu wollen. Es kommen auch unterschiedliche Herkunftstraditionen mit unterschiedlichen Ausprägungen und Namen hinzu (z. B. Soziale Solidarische Ökonomie, Social Entrepreneurship). Auch die Rechtsformen der Gründungen in diesem Bereich können völlig unterschiedlich ausfallen und reichen von Verein und Stiftung bis zu GmbH und Aktiengesellschaft.

Konkrete Beispiele für gesellschaftliche Unternehmenszwecke sind äußerst vielfältig. Soziale Unternehmen produzieren Produkte, für die in der rein gewinnorientierte Wirtschaft keine Wirtschaftlichkeit gesehen wird; geben Menschen Arbeit, die ansonsten keinen Zugang zu Arbeit hätten; unterstützen Menschen in einem Maß, das weit über staatliche Leistungen hinausgeht; schützen Umwelt und Klima; bringen Menschen zusammen; stiften Sinn; schaffen Chancen und Perspektiven; betreiben Selbsthilfe; testen und fördern soziale Innovationen in der Gesellschaft.

Die Vielfalt der Formen und Entstehungsgeschichten kann bedeuten, dass du mit Sozialer Ökonomie in Kontakt bist und sie dir zugutekommt, ohne dass du dir dessen bewusst bist. Dazu gehören z.B.: Verschiedene Non-Profit-Car-Sharing-Modelle, sozial-nachhaltige Produktion, Wohnbauprojekte, Mikrokreditanstalten, Fair-Trade-Betriebe, Erneuerbare-Energie-Genossenschaften oder auch der Weitererhalt bzw. Unterhalt von Einrichtungen, die in einem renditeorientierten Modell nicht als wirtschaftlich angesehen werden, wie Dorfläden zur lokalen Daseinsvorsorge oder auch Betriebe der solidarischen Landwirtschaft
(SoLaWi).

Was bedeutet „unternehmerisch“?

Bei all dem handeln soziale Unternehmen dennoch wirtschaftlich tragbar und können in Konkurrenz zu „herkömmlichen“, gewinnorientierten Privatunternehmen stehen, gegen die sie sich teilweise behaupten müssen. Als solche müssen sie den Prinzipien unternehmerischen Handelns folgen, effizient arbeiten und sind keine reinen spendenbasierten Einrichtungen oder „Zuschussbetriebe“.

Effizienz und Gewinn sind Grundlagen unternehmerischen Handelns, jedoch für soziale Unternehmen nicht als Selbstzweck, sondern für ihr gesellschaftliches Unternehmensziel. Ein soziales Unternehmen muss wie jedes Unternehmen haushalten und agieren, um erfolgreich zu sein. Dieser Erfolg misst sich jedoch nicht an kurzfristigen finanziellen Gewinnen, sondern daran, dass das Unternehmen überleben kann und seinen gesellschaftlichen Zweck erfüllt. Einkünfte erzielen soziale Unternehmen häufig aus unterschiedlichen Quellen: über den Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen, aber auch über Förderungen und Partnerschaften. Überschüsse müssen generiert werden, um Reinvestitionen tätigen zu können.

Was bedeutet „sozial“?

Da der Begriff des Sozialen im Zusammenhang der Sozialen Ökonomie auf das Englischen „social“ zurückgeht, hat „sozial“ hier eine weitere Bedeutung als etwa die klassischen „Sozialleistungen“ und umfasst vielmehr auch Bedeutungen von „gesellschaftlich“ und „Gemeinwesen“. Dies beinhaltet auch ökologische und kulturelle Zielsetzungen.

So kann es in der Öffentlichkeit zu Missverständnissen kommen durch Verwechslungen mit dem staatlichen Sozialbereich mit seinen (wesentlich enger gefassten) Sozialleistungen oder zu den traditionellen Wohlfahrtsverbänden, die in der Regel nicht privatwirtschaftlich organisiert sind (sondern als Körperschaften, die unmittelbar mit öffentlichen Sozialträgern zusammenarbeiten).

Soziale Unternehmen im Sinne der Sozialen Ökonomie mit ihren vielen verschiedenen Formen sind nicht zu verwechseln mit diesem staatlichen Sektor oder sozialen Dienstleistungen im engeren Sinne. Soziale Ökonomie umfasst auch die Herstellung von Produkten und die Erbringung von Dienstleistungen, für die der Staat keine Mittel hat oder investiert. Immer geht es jedoch um einen gesellschaftlichen, ökologischen und/oder demokratischen Mehrwert.

Sind soziale Unternehmen eine neue Entwicklung?

Soziales Unternehmer:innentum für sich genommen keine neue Erfindung, sondern mindestens so alt wie privates Unternehmertum selbst. Die Verbindung aus privatwirtschaftlicher Arbeit und einem klaren positiven gesellschaftlichen Effekt hat jahrhundertealte Formen wie beispielsweise Genossenschaften, Stiftungen, Versicherungsvereinigungen hervorgebracht.

Vergleichsweise neu ist jedoch die Entwicklung, dass Ideen zu einer Zukunft des privatwirtschaftlichen Handelns jenseits von reiner Profitmaximierung heute längst die Mitte der Gesellschaft erreicht haben (Stichworte sind hier Grenzen des Wachstums, Sharing Economy, UN-Nachhaltigkeitsziele, sinnstiftende Arbeit, Purpose). Immer mehr Menschen mit verschiedensten Hintergründen interessieren sich für die Verknüpfung ihrer (Lebens-)Arbeitszeit mit sinnvollem Tun. Krisen haben uns gezeigt und zeigen uns, dass herkömmliche privatwirtschaftliche Modelle allein das Gemeinwohl nicht sichern können. Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, demographischer Wandel und ungleiche Verteilung des Wohlstands bewegen Menschen und so auch unternehmerisch denkende Gründer:innen.

Sind soziale Unternehmen ein Wirtschaftsfaktor?

Auf unserer Website findest du bereits schlagwortartig einige zentrale Zahlen zur Sozialen Ökonomie in Berlin. Selbst ungeachtet ihrer hohen gesellschaftlichen Relevanz ist die Social Economy kein kleiner Wirtschaftsfaktor.

In anderen Ländern wie beispielsweise Frankreich, Italien oder Spanien ist die Etablierung dieser Art des Wirtschaftens weiter fortgeschritten bzw. sichtbarer als in Deutschland und teilweise gesetzlich verankert. Die unterschiedlichen Ausprägungen (sowie teilweise Mischformen) erschweren derzeit noch Vergleiche und Statistiken zur Sozialen Ökonomie. Die EU-Kommission schätzt jedoch den Anteil an Unternehmen in der EU, deren primäres Ziel nicht die Ausschüttung von Gewinnen an Eigner oder Investoren, sondern ein sozialer Zweck ist, auf 10% aller Unternehmen in der EU, in denen etwa 6% aller Arbeitnehmer:innen in der EU arbeiten – über 11 Millionen Menschen. Laut einer Studie von KfW Research in 2019 liegt der Anteil von Sozialunternehmen inzwischen bei 9% aller Jungunternehmen.

Ist Soziale Ökonomie eine Branche?

Soziale Ökonomie ist kein eigener Industriezweig oder Wirtschaftssektor im herkömmlichen Sinn. Vielmehr sind soziale Unternehmen frei und innovativ in ihrer Tätigkeit und können in nahezu allen Branchen tätig sein und diese Wirtschaftstätigkeit mit sozialem Mehrwert verknüpfen. Auch durch diese Vielfalt ist die wahre Bedeutung sozialer Unternehmen beispielsweise für die Berliner Wirtschaft weniger sichtbar, als sie es tatsächlich ist. Entscheidend für die Soziale Ökonomie ist, was produziert oder geleistet wird und wie dies erreicht wird.

Dürfen soziale Unternehmen keinen Gewinn erzielen?

Das ist nicht gesagt. Natürlich dürfen auch soziale Unternehmen Gewinne erzielen. Entscheidend ist, dass Gewinne nicht oder nur zu einem Teil externalisiert werden, (also an Investorinnen oder Eigentümerinnen ausgeschüttet werden) sondern in erster Linie reinvestiert werden, um die sozialen Zielen des Unternehmens zu erreichen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Sozial Solidarischem Unternehmen und einem Social Entrepeneur?

Soziale Unternehmen treten in verschiedenen Formen und Spielarten auf. Der Begriff Sozial Solidarische Unternehmen (SSU) bezieht sich auf eine gemeinschaftliche Gründung und Organisation ohne private Gewinnentnahme (not-for-private-profit-distribution). Dagegen bezieht sich der Begriff des Social Entrepreneurs(hip) in der Regel auf eine Einzelgründung entweder als reines Non-Profit-Unternehmen oder mit Gewinnentnahmebeschränkung.

Kultur Zeit los gUG, Foto: Markus Altmann

Weiterführende Informationen zu diesen Themen findest du auf den Websites vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) und Technologie-Netzwerk Berlin e.V.

Ansprechperson für redaktionelle Anfragen:

Afra Gloria Müller
(SEND)

Weiberwirtschaft eG, Foto: Anke Großklas